Die Motivation ist da, dennoch fällt es Jugendlichen oft schwer, ihre Lehre zu schaffen.
Dann sind die Ausbildungspaten im Kreis Recklinghausen an ihrer Seite.
Azubi Praemai Sapsaman liebt die Arbeit an der Fischtheke bei Rewe Kramer. Ihr Ausbildungspate Hans Schertl unterstützt sie vor allem bei schulischen undbehördlichen Fragen.
Praemai Sapsaman war erst einige Monate in Deutschland, als sie durch ein Praktikum zu Rewe Kramer am Oerwegin Recklinghausen fand:„Ich koche gern und durfte an der Heißen Theke arbeiten.“Der Thailänderin gefiel es so gut, dass sie sich um eine Ausbildung zurVerkäuferin im Lebensmitteleinzelhandel bewarb.Jetzt ist sie im ersten Lehrjahr und eigentlich glücklich– wenn da nicht die Sorge vor den Prüfungen wäre. Doch nun hat Praemai Sapsaman einen Ausbildungspaten an ihrer Seiteund ist optimistisch.Nach so kurzer Zeit in Deutschland spricht Praemai bereits gut Deutsch. „Aber im Unterricht habe ich Probleme“, gibt sie zu. Den Gesprächen in der Berufsschule zu folgen, spontan auf Fragen zu antworten, Texte und Aufgaben zuverstehen, das fällt ihr schwer. „Ich brauche länger und darum habe ich schlechte Noten in den Klassenarbeiten“, ärgert sie sich. Als ihr Lehrer am Kuniberg Berufskolleg sie fragte, ob sie sich vorstellen könnte, einen Ausbildungspaten zu haben, war sie begeistert. „So einen brauche ich!“, sagt sie. Und nun hat sie ihn mit Hans Schertl.
Im Verein der Ausbildungspaten im Kreis Recklinghausen betreuen aktuell 89 Paten ehrenamtlich 99 junge Menschen. Das sind zum Teil Gesamtschüler, die Hilfe bei der Berufsorientierung benötigen – oder eben Azubis. Hans Schertl ist als Lokalverantwortlicher gleichzeitig Ansprechpartner für die Ausbildungspaten in Recklinghausen und Haltern: „Wir brauchen dringend weitere Paten.“Denn der Verein schließt immer mehr Kooperationsverträge mit weiterführenden Schulen, so gerade im März 2023 mit dem Kuniberg Berufskolleg.
Dort ist auch Khane Omyrat Schülerin.Sie ist gebürtige Recklinghäuserin und lebt in einer arabischstämmigen Großfamilie.
An Talent und Motivation mangelt es nicht
Ich versuche, auch zu Hause mit meiner Familie nur Deutsch zu sprechen, aber es ist dennoch nicht einfach“, sagt sie. Dass ihr der Schulunterricht schwerfällt und der Dreisatz sie schier wahnsinnig macht, vermutet wohl niemand, der von Khane Omyrat an der Käsetheke bei Rewe Kramer bedient wird. Als ihr Ausbildungspate Dieter Salje sie nach den Unterschieden von Parmesan fragt, hält sie ihm einen fundierten kleinenVortrag. „Und das als Azubi im ersten Lehrjahr“,ist der pensionierte Berufsschullehrer beeindruckt.Sie führt ihn weiter zur Antipasti-Theke, zeigt auf die enorme Auswahl an Oliven, gefülltem Gemüse und Cremes. „Ich frage die Kunden,ob sie es pikanter oder milder mögen. Dann gebe ich ihnen etwas auf einem Kräcker zu probieren. Es soll dem Kunden ja auch schmecken.“ Die Warenkunde hat Khane Omyratim Kopf. Zwei Kolleginnen sind Käse-Sommeliers und füttern die hungrige Auszubildende mit Fachwissen:„Es fällt mir nicht schwer, mir das zu merken.“ Dieter Salje ist zuversichtlich, dass die Schülerin mit viel Geduldauch den Unterrichtsstoff meistern kann. Montags treffen sie sich zum gemeinsamen Lernen.Robert Diekhöver, Marktleiteram Oerweg, schaut bei den Auszubildenden nicht vorrangig auf die Noten:„Ich sehe hier junge Leute mit Talent und Potenzial“,betont er, „sie sind sehr motiviert.“ Gleichwohlweiß er, dass das nicht reicht. „Die Azubis müssendie Prüfungsaufgaben verstehen und beantworten können, um ihren Berufsabschlusszu bekommen.“ Die Ausbildungspaten sind daher am Oerweg höchst willkommen.„Es ist ein großartiges gesellschaftliches Engagement“, lobt Diekhöver die Zusammenarbeit: „Ich bin guter Dinge, dass unsere Azubis es mit der Hilfe ihrer Paten schaffen.
Khane Omyrat ist Auszubildende im ersten Lehrjahr bei ReweKramer. An der Käsetheke erklärt sie ihrem Ausbildungspaten Dieter Salje die Unterschiede von Parmesan-Sorten.
Aber es gibt auch Betriebe, die ihre Azubis nicht so unterstützen, weiß HansSchertl. „Nicht selten geht es in der Patenschaft auch um Probleme mit dem Chef. Wir versuchen dann, mit den Azubis Lösungen zu finden.
Hans Schertl macht keinen Hehl daraus, dass nicht alle Patenschaften zum Erfolg führen. „Manchmal stimmt die Chemie einfach nicht“,weiß er. Da die 1:1-Betreuung jedoch von beiden Seiten freiwillig ist, können auch beide Seiten die Patenschaft beenden. „Ich selbst bin damals mit viel zu hohen Erwartungen an die Jugendlichen in dieses Ehrenamt eingestiegen“, blickt er zurück.
Diese herunterzuschrauben und damit Frust zu vermeiden, habe er lernen müssen: „Doch das ist ja das Besondere an dieserAufgabe, auch die Paten wachsen daran.“ Dazu gibt es Fortbildungen und Infotreffen für die Ausbildungspaten.Als Omar Badawi die IHKPrüfung geschafft hat, freute sich auch Wieland Nolte wie ein Schneekönig. Die Patenschaft in der Pandemie mit Schulschließung und dann Online-Unterricht war eine Besondere: „Wir haben uns bei Omar getroffen,weil es woanders nicht ging.“ So lernte der Ausbildungspate gleich die Eltern und Geschwister kennen.Trotz der persönlichen Nähe blieb die Professionalität nicht auf der Strecke. Wieland Nolte ist noch im Schuldienst: „In Deutschland brauchst du einen Abschluss, um Erfolg zu haben. Darauf kann man aufbauen,sich Schritt für Schritt weiterbilden und mehr erreichen.“ Omar Badawi nickt: „Wieland hat mir oft Druck gemacht,aber das hat geholfen.“ Hinzu kamen Sorgen mit den Behörden. Doch auch dabei wusste Nolte Rat. „Wir haben viele Höhen und Tiefen zusammen gemeistert.“ Aus der Patenschaft ist in diesemFall sogar eine Freundschaft gewachsen. Und das nächste Ziel ist auch vor Augen:eine Festanstellung für den ausgebildeten Verkäufer zu finden.
Wer die Ausbildungspaten unterstützen möchte, sei es ehrenamtlich, als Sponsor oder Kooperationspartner, kann sich in der Geschäftsstelle des Vereins, Kemnastraße 7 in Recklinghausen, melden. Tel.: 02361 /3060576, www.ausbildungspaten.de
